Sebastian in Finnland: Oktober 2009

So meine erste Klausur ist rum! Ich habe mich zwar lange nicht mehr so schlecht auf eine Klausur vorbereitet gefühlt, aber ist eigentlich ganz gut gelaufen. Ich hatte zwar eigentlich zeitig angefangen mit Lernen aber sich nach über nem halben Jahr wieder ins Lernen (und vor allem dann ins stupide Auswendiglernen) hereinzufinden war schon schwer und hier im Wohnheim gibts halt doch immer irgendwelche Ablenkungen (Und sei es nur, dass man den ganzen Nachmittag den Fall der Schneeflocken verfolgt ;) ). Aber jetzt mal der Reihe nach was die letzten 2 Wochen so passiert ist.
Am Freitag vor 2 Wochen war ein großes Länderspiel anberaumt. Spanien gegen eine Deutsch-Französische Auswahl. Das Spiel hatte es schonmal zufällig gegeben und wir haben die Spanier halt platt gemacht und das hat die Jungs ganz schön mitgenommen. Jedenfalls wollten sie unbedingt eine Revanche haben. Schon die ganze Woche davor haben einem die Spanier wenn man ihnen mal in der uni über den Weg gelaufen ist einen aus 50 Metern angebrüllt, "Ey the wall, ready for friday? we will destroy you". Naja dementsprechend ernst ist das ganze dann auch abgelaufen. Haben dann mit richtiger Aufstellung und Taktik gespielt, und Zuschauer waren es wahrschienlich auch mehr als zur Zeit bei den FG Heimspielen könnte ich mir vorstellen. Leider hats nur zu nem 3:3 gereicht und ein Tor für die Spanier hat auch the wall höchstpersönlich erzielt (naja gaaaaanz unglücklich abgefälscht ;) ) aber ist schon wirklich witzig mit welchem Ernst da manche dabei sind und Elfmeter fordern und in Zweikämpfe gehen. Gab sogar einen Rippenbruch ;) Jetzt sind die Franzosen (allen voran mein Arnauld) angepisst weil sie nicht gewonnen haben und planen das nächste Match. Wir wohl ne neverending story bei den beiden Nationen.
Samstag habe ich dann mit meinem finnischen Gastvater eine Autotour durch Südkarelien gemacht. Erst hat er mir den Steinbruch von seiner Firma gezeigt, und halt alles erklärt, naja konnte man sich mal anschauen, dann hat er mir das Mökki (Sommerhäuschen) seiner Familie gezeigt, schön am See und natürlich mit Sauna. Ist schon nicht schlecht so ne Hütte. Anschließend hat er mich noch in ein Restaurant zum Mittagessen eingeladen.
Teemu ist halt ein richtiger Prolet. Bisher waren die Finnen mit denen man in Kontakt kam halt alle irgendwie von der Uni, also entweder Lehrpersonal oder Studenten, ist schon interessant auch mal mit jemandem aus den unteren Bildungsschichten zu sprechen. Die Ansichten über Zuwanderungspolitik und Sozialschmarotzertum sind zwar gewöhnungsbedürftig aber wenn er dann z.B. über das Autofahren in Finnland gelästert hat war das schon ziemlich witzig. Was halt krass ist, dass der Kerl noch nie in seinem Leben groß im Ausland war, in seinem Beruf kein Englisch spricht und sicher nicht extrem intelligent ist und halt trotzdem sein Englisch eher sogar etwas besser war wie mein Schulenglisch. Irgendwas läuft da im Schulsystem offensichtlich richtig. Ok man darf auch nicht vergessen, dass die ganzen Filme hier halt auf Englisch laufen und nur Finnisch untertitelt sind, aber trotzdem schon beachtlich.
Ach ja auf der Fahrt habe ich auch meinen ersten Elch hier in Finnland gesehen. Leider lag er tot in einer Blutlache am Straßenrand und ne verbeulte Karre stand daneben...

St. Petersburg

St. Petersburg ist halt wirklich eine Stadt mit extremen Gegensätzen. Auf der einen Seite mindestens 20 Paläste, Kathedralen oder sonstige Gebäude die wenn sie in Karlsruhe stehen würden dort garantiert die Top-Sehenswürdigkeit wären, alles schön restauriert und man verliert schon fast die Lust auch das zehnte prachtvolle Schloss das Katharina für ihren Lieblingsenkel hat bauen lassen auch noch zu fotografieren.
Auf der anderen Seite waren schon die Hinterhöfe von der Prachtstraße zum Teit dermaßen abgefuckt als ob seit der Belagerung daran nichts mehr gemacht wurde. Hier mal der Ausblick aus unserem Hotelfenster.

Auf der einen Seite gab es echt eine im Vergleich zu Deutschland ziemlich beeindruckende S-Klassen Dichte, und auch andere Protzautos standen da recht häufig am Straßenrand rum. Zum anderen fahren da die abgefucktesten Ladas rum, mit 50 cm langen Rissen in der Windschutzscheibe, ohne Außenspiegel.

Auf der einen Seite durchgestylte Mädels mit Miniröcken und Stiefeln über die Knie mit 10cm langen Absätzen mit dem Durchmesser von nem Stecknadelkopf. An ihrer Hand daneben der Freund, unfrisiert und mit abgewetzter Bomberjacke von KIK.

Gleich am Zoll (wir liegen ja fast an der Grenze) hätte es das erste geile Fotomotiv gegeben wenn man denn hätte fotografieren dürfen. Wenn man zur finnischen Seite herasugeschaut hat hat man strahlend blauen Himmel gesehen ohne eine einzige Wolke, wenn man zur russischen Seite rausgeschaut hat nur ne extrem finstere Wolkenfront ohne ein Stück blauen Himmel. Tauno (der Kommunistenhasser) hätte seine helle Freude gehabt. Ja der Zoll. Wir haben dort am Zoll mindestens 3 Stunden gebraucht, hatten 4 Kontrollen, zweimal musste man aus dem Bus aussteigen, der anti-imperialistische Schutzwall funktioniert immer noch blendend. An der grenze gibts offensichtlich auch Störsender weil mit dem übertreten der Grenze hatte man kein Finnisches Handynetz mehr, schon krass das ganze. Naja wir habens dann geschafft. Zuerst waren die Straßen noch in bestem Zustand aber je weiter man ins Land reinkam desto schlechter wurden die und die Fahrt wurde zwischendurch ziemlich ruckelig. Hat die russischen Autofahrer aber nicht wirklich gestört. Die sind da mit Halsbrecherischen Überholmanövern unterwegs gewesen, scheiß egal was entgegenkommt und was für ne Schrottkarre man fährt. Auf der Gegenfahrbarn hat mal ein Auto mit rauchender Motorhaube überholt - ein echtes Highlight. Und wieviele Autos dort am Straßenrand stehen ist auch ziemlich krass. Bestimmt alle 5 Kilometer steht da mal wieder ne Karre rum wo dann die Motorhaube hochgeklappt ist, oder gerade ein Reifen gewechselt wird, oder auch nur irgendjemand mit seinem Handy daneben steht und verzweifelt telefoniert, aber wie gesagt bei den Karren die da rumfahren wundert einen das auf gar keinen Fall. Aber manchmal sind die russischen Landstraßen auch wirklich praktisch. Ich meine mir geht das in Deutschland zumindest häufig so, dass ich auf ner Landstraße unterwegs bin und denke, "Mensch wenn du jetzt ne Motorsäge hättest, das wärs!". Nicht so in Russland da stand tatsächlich so ein Typ an der Landstraße und hat Motorsägen verkauft. Dominic haben uns nur ungläubig angeschaut, und dann bestimmt 5 Minuten nicht mehr aufhören können zu lachen. Nicht die einzige gewiefte Geschäftsidee der Russen, als wir nachts mal aus nem Club kamen und heimgehen wollten, kam uns ne Frau auf einem Pferd entgegen geritten, die uns gefragt hat ob wir nicht mal auf dem Pferd reiten wollen. Ist denke ich ähnlich erfolgreich wie der Kollege mit den Motorsägen.
Im Großraum St.Petersburg hat man dann wieder schön die Gegensätze gesehen. Zuerst kamen schön eingezäunt, mit Stacheldraht und Überwachungskameras einige ziemlich geile Häuser, dann kam wieder ne Weile Wald und dann haben die Vororte angefangen. Alter Mann. Riesige Plattenbausiedlungen. Wir haben mal grob überschlagen dass in einem solchen Turm wohl so 3000 Leute leben, und da waren direkt Nebeneinander bestimmt 20 solcher Türme. Also auf ner extrem kleinen Fläche mal locker ungefähr soviel Einwohner wie in ganz Lappeenranta. Die Türme sahen aber wenigstens noch halbwegs modern aus. An was man da zum Teil vorbeigefahren ist. Von Extrem runtergekommen bis massiv baufällig war da alles dabei, und als wir dann im Zentrum ankamen war am Ufer von der Newa entlang wieder alles ziemlich protzig. Also was da in die Stadt und die Paläste an Geld gepumpt worden sein muss...
Da der Trip ja von der Uni organisiert war hatten wir auch ein ordentliches Kulturprogramm. Haben uns Katharinas Sommerpalast angeschaut, mit dem Bernsteinzimmer Nachbau. Das kann man sich schon mal anschauen. Exterm viel Blattgold überall da, alles glänzt, und das Bernsteinzimmer ist halt wirklich schön. Ansonsten ist es halt ein Schloss ;) DArüberhinaus hat uns vor allem die vielseitige Verwendungsmöglichkeit der Räume fasziniert. "Wenn man in den Raum einen Tisch reingestellt hat, konnte man es auch als Esszimmer nutzen!" Aha ;)

Am nächsten Tag hatten wir dann noch eine Stadtrundfahrt, wo wir an den berühmtesten Sehenswürdigkeiten gestoppt haben, und als dritten organisierten Punkt hätte es noch eine 3-stüdige Eremitageführung gegeben. Reingegangen sind wir natürlich, aber wir haben souverän gezeigt, dass man so ne Führung auch schneller erledigen kann. Nee, muss man sich schon alles mal angeschaut haben. Das Gebäude ist ja schon wirklich beeindruckend, von innen wie von Außen. Stefan und ich haben uns an einem Nachmittag mal noch in so ein sightseein schiff gesetzt und ne Stunde da durch die Kanäle und über die Newa gefahren, und das Panorama war schon klasse. Was da an Geld verballert wurde ;) Leider war grade ein wenig Hochwasser, weswegen unser Schiff fast nicht unter den Brücken durchgepasst hätte, aber nach dem sich dann alle auf den Boden gekniet hatten, sind wir noch ganz knapp unter der Brücke vorbeigeschrammt, aber war echt knapp, hatte echt befürchtet wir bleiben da stecken ;)

Abends zum feiern ist es natürlich auch eine geile Stadt. Die Reiseleitung hat uns natürlich in irgendwelche Clubs gelotst wo sie dann Provision bekommt, somit waren das vielleicht nicht die krassen Geheimtipps, aber hat einen ja auch keiner gezwungen dorthinzugehen. Der Club am zweiten Abend war z.B. so voll und voll mit vollen Russen, dass wir nach 5 Minuten wieder raus sind und uns auf eigene Faust einen Laden gesucht haben. Was auf alle Fälle auch richtig geil ist in St.petersburg ist das Taxi fahren. Die normalen Taxis sind relativ teuer, aber es ist üblich dass man sich einfach an den Straßenrand stellt mit dem Arm winkt und dann hält der nächstbeste Lada an, man verhandelt nen Preis und dann gehts los. Der Straßenverkehr dort ist wirklich der Hammer, als wir am zweiten Abend zum Essen gefahren sind, haben wir zwei Ladas gebraucht und weil unser Fahrer den Weg nicht kannte, ist er einfach dem ersten hinterhergefahren. Das war vielleicht ne Fahrt, fast wie bei James Bond. Andere Autos haben sich halt dann dazwischengedrängt, dann hat unser Fahrer halt einfach mal auf der Gegenfahrbahn überholt obwohl da auch querstraßen waren aus denen jederzeit jemand hätte kommen können, und ist dann sicherheitshalber ganz dicht hinter dem anderen Auto hergefahren und das mit voller Geschwindigkeit durch dichten Verkehr wo alle fahren wie verrückt. Doch da hatte ich echt etwas Angst. Aber für 3 Euro für den gesamt Taxipreis kann man ja schon verlangen, dass im Preis noch ein wenig Erlebnis mit drin ist ;)

Am Samstag Abend haben wir uns dann nicht getraut wegzugehen, weil wir schon an den Tagen davor immer mal wieder angesprochen wurden auf das Fußballspiel, und dabei gemerkt haben, dass das den Jungs schon ganz schön wichtig ist. Wir hatte davor schon von Russen in Lappeenranta gehört, dass die Jungs sich da bei Fußballspielen gut zulöten, und im Falle eienr Niederlage schon auch mal ganz gut ausrasten können. Deshalb haben wir das Spiel dann gemütlich im Hotel geschaut uns ausgiebigst gefreut, und sind danach nur noch kurz in Mc Donalds zum Abendessen gegangen. Haben aber von den anderen Jungs die weg waren gehört, dass alles ganz friedlich geblieben ist. Ach ja McDonalds, da war ich insgesamt 4 mal in St.Petersburg. Ist einfach so schön billig. Big Mac für knapp 1,7€ da kann man nicht meckern. Aber wir waren auch mal richtig schön russisch Essen in nem Restaurant, dass uns ein Mädel aus St.Petersburg dass in Lappeenranta studiert empfohlen hatte. War auch extrem lecker, aber leider bin ich nicht satt geworden obwohl ich da 25€ liegen hab lassen (Für St.Petersburg Verhältnisse extrem viel). Unten im Gang hingen dann auch Fotos von Prominenten die sich im Restaurant mit der Geschäftsführerin hatten fotografieren lassen. Wir haben allerdings nur die Klitschkos erkannt.

Ja war wirklich ein erlebnisreicher Trip und ich kann auf jeden Fall empfehlen sich die Stadt mal anzuschauen.